Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung
Inhaltsverzeichnis
Allgemeine Informationen
Schuldnerinnen/Schuldner müssen binnen 60 Tagen ab Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Insolvenzantrag stellen. Das Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung gibt ihnen die Möglichkeit, weiterhin über ihr Vermögen zu verfügen, sich von ihren Restschulden zu befreien und ihr Unternehmen zu sanieren.
Dafür müssen sie neben dem Insolvenzantrag auch die Annahme eines Sanierungsplans beantragen. Im Sanierungsplan steht, mit welcher Quote sie ihre Schulden begleichen werden. Sie müssen mindestens 30 Prozent der Forderungen innerhalb von längstens zwei Jahren bezahlen können.
Die wichtigsten Merkmale des Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung sind:
- Die Schuldnerin/der Schuldner behält unter der Aufsicht einer Sanierungsverwalterin/eines Sanierungsverwalters die Verfügungsmacht über das eigene Vermögen und kann das Unternehmen selbst fortführen.
- Das Insolvenzverfahren endet, wenn die Gläubigerinnen/Gläubiger den Sanierungsplan angenommen haben und das Gericht ihn rechtskräftig bestätigt.
- Wenn die Schuldnerin/der Schuldner den Sanierungsplan erfüllt, ist sie/er von den Restschulden befreit.
- Erst wenn der Sanierungsvorschlag nicht rechtzeitig angenommen wurde, kann das Unternehmen verwertet werden.
Die Eröffnung des Sanierungsverfahrens wird in der Insolvenzdatei im Internet öffentlich bekannt gemacht.
Achtung
Diese Regelungen gelten grundsätzlich auch für Unternehmen aus EU-Mitgliedstaaten in Österreich.
Voraussetzungen
Voraussetzung für das Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung ist, dass die Schuldnerin/der Schuldner
- den Sanierungsplan schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorlegt,
- sich qualifiziert vorbereitet (siehe "erforderliche Unterlagen") und
- innerhalb von zwei Jahren mindestens 30 Prozent der Schulden bezahlen kann.
Nachdem das Gericht das Verfahren eingeleitet hat, muss die Mehrheit der Gläubigerinnen/Gläubiger dem Sanierungsplan zustimmen. Die Gläubigermehrheit muss insgesamt mehr als die Hälfte der Forderungen innehaben. Es zählen nur die Stimmen der bei der Tagsatzung anwesenden Gläubigerinnen/Gläubiger.
Fristen
Die Schuldnerin/der Schuldner muss den Insolvenzantrag und den Antrag auf Annahme des Sanierungsplans spätestens 60 Tage ab Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung stellen.
Sollte eine Gläubigerin/ein Gläubiger den Insolvenzantrag gestellt haben, wird dieser der Schuldnerin/dem Schuldner zugestellt. Wenn sie/er dem Gericht rechtzeitig einen Sanierungsplan vorlegt, kann dieses noch ein Sanierungsverfahren eröffnen.
Hinweis
Dieses Verfahren kann bereits eingeleitet werden, wenn die Zahlungsunfähigkeit droht. Dadurch steigt die Chance, das Unternehmen zu erhalten.
Zuständige Stelle
- in Wien das Handelsgericht Wien (→ BMJ)
- in Graz das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz (→ BMJ)
Verfahrensablauf
Das Sanierungsverfahren wird vom Gericht eröffnet. Dieses bestellt eine Sanierungsverwalterin/einen Sanierungsverwalter. Die Schuldnerin/der Schuldner kann unter deren/dessen Aufsicht über das eigene Vermögen verfügen und das Unternehmen selbst fortführen.
Die Sanierungsverwalterin/der Sanierungsverwalter
- prüft für das Gericht, ob der Sanierungsplan erfüllbar und wie realistisch der vorgelegte Finanzplan ist.
- überwacht die Geschäftsführung des Unternehmens sowie die Ausgaben, die für die Lebensführung der Unternehmerin/des Unternehmers getätigt werden.
Wenn die Gläubigerinnen/Gläubiger den Sanierungsplan annehmen und das Gericht in Folge den Sanierungsplan bestätigt, wird das Insolvenzverfahren mit Rechtskraft der Bestätigung automatisch aufgehoben. Die Schuldnerin/der Schuldner hat wieder volle Verfügungsbefugnis. Nach Erfüllung des Sanierungsplans, ist sie/er außerdem von den Restschulden befreit.
Wenn der Sanierungsplan nicht innerhalb von 90 Tagen nach Eröffnung des Sanierungsverfahrens angenommen wird, kann das Unternehmen verwertet werden. Das Gericht entzieht die Eigenverwaltung und bestellt eine Masseverwalterin/einen Masseverwalter. Eine Sanierung ohne Eigenverwaltung bleibt aber möglich.
Außerdem entzieht das Gericht die Eigenverwaltung und das Verfahren wird zu einem Konkursverfahren (inklusive Bezeichnungsänderung in der Insolvenzdatei im Internet), wenn
- die Unternehmerin/der Unternehmer den Sanierungsplan zurückzieht,
- das Gericht den Sanierungsplan zurückweist,
- die Gläubigerinnen/Gläubigern den Sanierungsplan ablehnen oder
- die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Masseforderungen zu erfüllen.
Tipp
Da die Verfahrensvorschriften sehr komplex sind, empfiehlt es sich, eine Rechtsanwältin/einen Rechtsanwalt (→ ÖRAK) zu beauftragen.
Erforderliche Unterlagen
- Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens
- Antrag auf Annahme eines Sanierungsplans, mit
- Angaben darüber, wie die zur Erfüllung des Sanierungsplans nötigen Mittel aufgebracht werden sollen,
- Angaben über die Anzahl der Beschäftigten und über deren im Unternehmen errichteten Organe und
- Angaben über die zur Erfüllung des Sanierungsplans nötigen Reorganisationsmaßnahmen, insbesondere Finanzierungsmaßnahmen.
- Sanierungsplan, in dem den Gläubigerinnen/Gläubigern angeboten wird, innerhalb von längstens zwei Jahren vom Tag der Annahme des Sanierungsplans mindestens 30 Prozent der Forderungen zu zahlen
- Genaues Vermögensverzeichnis mit eigenhändiger Unterschrift der Schuldnerin/des Schuldners
- Aktuelle und vollständige Übersicht über den Vermögens- und Schuldenstand, in der die Bestandteile des Vermögens auszuweisen und zu bewerten und die Verbindlichkeiten mit dem Rückzahlungsbetrag anzusetzen und aufzugliedern sind (Status)
- Gegenüberstellung der voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben für die folgenden 90 Tage, aus der sich ergibt, wie die für die Fortführung des Unternehmens und die Bezahlung der Masseforderungen notwendigen Mittel aufgebracht und verwendet werden sollen (Finanzplan)
- Verzeichnis der gesetzlich vorgeschriebenen zu verständigenden Personen (Insolvenzgläubiger, deren Anschrift bekannt ist; Belegschaftsorgane; Personen, die sich zur Übernahme einer Haftung für die Verbindlichkeiten der Schuldnerin/des Schuldners bereit erklären)
- Letzten drei Jahresabschlüsse (bei Buchführungspflicht)
Die Schuldnerin/der Schuldner muss die Angaben belegen und sich zugleich bereiterklären, vor dem Gericht zu unterfertigen, dass ihre/seine Angaben über den Aktiv- und Passivstand richtig und vollständig sind und dass sie/er vom eigenen Vermögen nichts verschwiegen hat.
Zusätzliche Informationen
Die Eröffnung des Sanierungsverfahrens wird in der Insolvenzdatei im Internet öffentlich bekannt gemacht, ebenso die Information, ob es sich um ein Sanierungsverfahren mit oder ohne Eigenverwaltung handelt.
Nach vollständiger Erfüllung des Sanierungsplans hat die Schuldnerin/der Schuldner die Möglichkeit, eine Löschung aus der Insolvenzdatei und dem Firmenbuch zu erwirken.
Weiterführende Links
Rechtsgrundlagen
§§ 140 bis 179 Insolvenzordnung (IO)
Für den Inhalt verantwortlich: Bundesministerium für Justiz